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Wann und in welchem Umfang haften Kinder für die Pflegekosten Ihrer Eltern

Wenn Eltern pflegebedürftig werden, reichen die Eigenmittel für die hohen Pflegekosten aus Rente und Pflegeversicherung oft nicht aus. Meist übernimmt der Sozialhilfeträger (bei Heimunterbringung der Bezirk Unterfranken) vorläufig die Kosten und greift auf die Kinder des Pflegebedürftigen zurück. Die Kinder selbst befinden sich oft in einer sog. „Sandwich-Situation“, weil sie gleichzeitig ihren eigenen Kindern zum Unterhalt verpflichtet sind, was (wenn diese z.B. studieren) sehr lange dauern kann. Daneben soll man noch zusätzlich für die eigene Altersvorsorge sorgen, da die gesetzliche Rente selbst nicht mehr ausreichen wird.

Wann haften für die noch offenen Pflegekosten die Kinder und in welchem Umfang?
Wird auch das Einkommen des/der Schwiegersohnes/-tochter mit herangezogen?

Oft übertragen Eltern zu Lebzeiten ihr Familienheim an ihre Kinder. Muss das Familienheim dann wieder zurückgegeben werden, wenn die eigenen Mittel der Eltern für die Pflege nicht ausreichen?
Wie viel des Einkommens bzw. des Vermögens verbleibt den Kindern, um auch noch ihren eigenen Lebensunterhalt, den des Ehegatten und den der Kinder bestreiten zu können?

Die Kinder haften für die Pflegekosten der Eltern nur dann, wenn diese bedürftig sind. Bedürftigkeit liegt vor, wenn der konkrete Bedarf (z.B. die Heimkosten) nicht mit eigenen Mitteln aus dem Einkommen und Vermögen bestritten werden kann. Erst wenn sämtliches verwertbares Vermögen und das Einkommen nicht ausreichen, können Kinder für die noch fehlenden Pflegekosten der Eltern in Anspruch genommen werden. Da z.B. auch ein Jagdrecht oder sonstige Dienstbarkeiten zum Vermögen gehören, müssen diese Vermögenswerte von den Pflegebdürftigen erst verwertet werden. Nicht zum Vermögen gehört das sog. Schonvermögen, wozu insbesondere das eigene Haus gehört, unter Umständen besondere Familien- bzw. Erbstücke als auch ein sog. „Notgroschen“. Der Notgroschen beziffert sich derzeit mit 5.000 €, bei Ehegatten zusammen 10.000 €.

Oft wehren sich die von dem Sozialhilfeträger in Anspruch genommenen Kinder nicht, weil sie fürchten, vor sich selbst oder ihrer Umwelt als „undankbare Kinder“ stigmatisiert zu werden, obwohl häufig die Bedürftigkeit der Eltern nicht nachgewiesen ist. Es kann sich deshalb durchaus lohnen, die Bedürftigkeit der Eltern in Zweifel zu ziehen, selbst wenn die Bedürftigkeit vom Sozialhilfeträger behauptet wird. Dies sollte nicht einfach so akzeptiert werden.

Soweit die Bedürftigkeit jedoch nachgewiesen ist, prüft der Sozialhilfeträger, ob er wieder bei den Kindern Regress nehmen kann. Hier gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten, Regressansprüche durchzusetzen:

Rückforderung wegen Verarmung des Schenkers

Haben Eltern z.B. ihr Anwesen oder Vermögen an Kinder übertragen und werden dann bedürftig, weil ihr Einkommen bzw. Vermögen nicht mehr zum Bestreiten der Pflegekosten ausreicht, so kann die Schenkung vom Beschenkten zurückgefordert werden. Allerdings dürfen nicht mehr als 10 Jahre zwischen dem Zeitpunkt der Schenkung und der Bedürftigkeit vorliegen. Beruft sich der Beschenkte darauf, nicht mehr bereichert zu sein, so muss er dies beweisen. Veräußert er z.B. ein geschenktes Grundstück, nachdem ihm bekannt wird, dass der Schenker Sozialhilfeleistungen erhält oder in Kürze erhalten wird, so kann er sich nicht erfolgreich auf Entreicherung berufen. Die Schenkung wird dann vom Sozialhilfeträger, auf den die Rückforderungsansprüche übergeleitet werden, zurückgefordert.

Unterhalt

Unterhalt wird nur zwischen Verwandten in gerader Linie geschuldet. Folglich haftet das Schwiegerkind nicht für die Pflegekosten der Schwiegereltern. Es kann sich deshalb durchaus lohnen, Vermögen des unterhaltsverpflichteten Kindes an seinen Ehegatten (Schwiegerkind des Bedürftigen) zu übertragen. Dem unterhaltsverpflichteten Kind müssen von seinem monatlichen Einkommen mindestens 1.800 € (seit 01.01.2015) verbleiben. Ist das Kind verheiratet, erhöht sich der Freibetrag für den Ehegatten um zusätzliche 1.440 €. Wenn noch Kinder zu unterhalten sind, sind die Kindesunterhaltsbeträge ebenfalls vorab zu berücksichtigen. Hat z.B. ein unterhaltsverpflichtetes Kind ein Nettoeinkommen von 2.800 €, sein Ehegatte ein monatliches Nettoeinkommen von 800 € und haben einen 6-jährigen Sohn (dem mindestens 400 € Kindesunterhalt zustehen, so haftet das unterhaltsverpflichtete Kind mit seinem Nettoeinkommen von 2.800 € derzeit nicht für die ungedeckten Pflegekosten seiner Eltern, weil das Gesamteinkommen (2.800 + 800 € = 3.600 €) unter den Freibeträgen bzw. Unterhaltsleistungen (1.800 € + 1.440 € + 400 € = 3.640 €) liegt.

Neben dem Einkommen haftet unter Umständen auch das Vermögen der unterhaltsverpflichteten Kinder. Allerdings gibt es auch hier Schonvermögen, so z.B. das selbstgenutzte Haus, sodass dieses nicht herangezogen werden darf. Es darf auch nicht mit Grundschulden für evtl. Darlehen belastet werden.

Neben dem Schonvermögen hat den unterhaltsverpflichteten Kindern auch ein sog. Altersvorsorgevermögen zu verbleiben. So dürfen 5 % des monatlichen Bruttoeinkommens bei 4 % Verzinsung ab Beginn der Berufstätigkeit bis zum Renteneintritt angespart werden. Verdient z.B. ein 50-jähriges Kind monatlich brutto 3.000 € und war bei Beginn seiner Berufstätigkeit 20 Jahre alt, ergibt dies einen Betrag von ca. 102.000 €, der als Altersvorsorgevermögen nicht für die nicht gedeckten Pflegekosten der Eltern herangezogen werden darf.

Sind mehrere unterhaltsverpflichtete Kinder vorhanden, haften diese für die fehlenden Pflegekosten ihrer Eltern anteilig entsprechend ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse. Der Sozialhilfeträger muss folglich genau darlegen, welches Einkommen bzw. Vermögen das Geschwisterkind hat, da nur dann das in Anspruch genommene unterhaltsverpflichtete Kind prüfen kann, ob und inwieweit es zum Unterhalt verpflichtet ist. Der Sozialhilfeträger wird sich hier häufig auf Datenschutzgründe berufen und die jeweiligen Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht offenlegen. Auch hier lohnt es sich unter Umständen, nicht einfach dem Sozialhilfeträger gegenüber klein beizugeben, da das in Anspruch genommene Kind einen Anspruch darauf hat, die Unterhaltsverpflichtung insbesondere im Verhältnis seiner Geschwister gegenüber überprüfen zu können. Spätestens dann, wenn der Sozialhilfeträger die angeblich bestehende Unterhaltsverpflichtung im Klagewege geltend macht, müssen die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Geschwisterkinder dargelegt werden.

Nicht unerwähnt bleiben soll, dass selbst dann, wenn zu Lebzeiten des Pflegebedürftigen die unterhaltsverpflichteten Kinder nicht zu den fehlenden Kosten herangezogen werden können, die Kinder dann evtl. nach dem Tod des Pflegebedürftigen als Erben haften. Im Gegensatz zur normalen Erbenhaftung haftet hier jedoch nur das Nachlassvermögen (und nicht das sonstige Vermögen) und auch nur für die Kosten, die innerhalb von 10 Jahren vor dem Erbfall vom Sozialhilfeträger aufgewendet worden sind. Mehrere Erben haften als Gesamtschuldner. War der Pflegebedürftige verheiratet und kann der überlebende Ehegatte nachweisen, dass er mit dem Pflegebedürftigen zusammengelebt und bis zum Tode gepflegt hat, so haftete der Ehegatte nur, wenn er mehr als 15.340 € geerbt hat.

Werner Nied