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Erbrecht, Pflichtteil, Schenkung

„Behaupte niemals, einen Menschen zu kennen, solange Du keine Erbschaft mit ihm geteilt hast.“
(Johann Caspar Lavater, 1741-1801).

80 % der Erbstreitigkeiten rühren daher, dass entweder kein Testament errichtet worden ist oder im Testament unklare Formulierungen verwendet worden sind.
Ein Testament ist immer dann erforderlich, wenn von der gesetzlichen Erbfolge abgewichen werden soll. Oft wollen Ehegatten sich gegenseitig absichern und erst nach dem Tod des Längstlebenden die gemeinsamen Kinder berücksichtigen. Dies kann durch ein sog. Berliner Testament verwirklicht werden oder auch durch eine Vor- und Nacherbschaft. Beim Berliner Testament können die Kinder nach dem Tod des Erstversterbenden den Pflichtteil verlangen, was oft zu Spannungen, wenn nicht zum Streit innerhalb der Familie führt. In vielen Fällen ist deshalb der Vor- und Nacherbschaft der Vorzug zu geben. Der überlebende Ehegatte beerbt den anderen Ehegatten als Vorerbe und gibt dann diesen Erbteil nach seinem eigenen Tod an die Nacherben, z.B. die Kinder weiter. über seinen eigenen Erbteil kann er auch noch frei verfügen. Der Vorteil der Vor- und Nacherbschaft gegenüber dem Berliner Testament besteht darin, dass die Kinder den Pflichtteil nach dem Tod des erstversterbenden Elternteils nur dann verlangen können, wenn sie die Nacherbschaft ausschlagen, was selten vorkommt. Andererseits hat der Vorerbe mehr Flexibilität auf noch künftige, und nicht vorgesehene Ereignisse (Tod eines Kindes, Scheidung oder sonstige Probleme) einzugehen. Man kann die Vorerbschaft als befreite oder nicht befreite Vorerbschaft vereinbaren. Die befreite Vorerbschaft gibt dem überlebende Ehegatte mehr Freiheiten als die nichtbefreite Vorerbschaft.
Wenn der überlebende Ehegatte wirtschaftlich abgesichert werden soll, jedoch mit der Erbschaft als solches nichts zu tun haben soll, könnten die Kinder auch als Erben eingesetzt werden und zugunsten des überlebenden Ehegatten ein Nutzungsvermächtnis erfolgen. Dadurch ist gewährleistet, dass z.B. ein Anwesen oder eine vermietete Eigentumswohnung direkt an die Kinder übergeht, diese die Verwaltung usw. durchführen müssen, die Mieteinnahmen und sonstigen Gebrauchsvorteile beim überlebenden Ehegatten verbleiben.
Kinderlose Ehepaare sollten unbedingt ein Testament errichten und festlegen, wer Erbe nach dem Tod beider sein soll. Wenn dies nicht festgelegt wird, hängt es vom Zufall ab, wer zuerst verstirbt. Verstirbt der Ehegatte zuerst, wird er von seiner Ehefrau beerbt und nach dem Tod der Ehefrau dann deren Verwandtschaft. Stirbt die Ehefrau zuerst, kehrt sich alles spiegelbildlich um und die Verwandtschaft des Ehemannes erbt. Ob dies immer so gewünscht wird, ist sehr zweifelhaft.

Wenn Ehegatten jeweils Kinder aus 1. Ehe haben, ist es dringend erforderlich, ein Testament zu errichten, da andernfalls auch Vermögenswerte in „die andere Verwandtschaft“ übergehen können.

Viele Erbstreitigkeiten entstehen deshalb, weil oft einzelne Gegenstände, z.B. ein Haus, ein Auto, ein Sparbuch im Wege der Erbfolge übertragen werden, ohne zu unterscheiden, ob dies als Vermächtnis oder Teilungsanordnung erfolgen soll. Besteht z.B. der Nachlass aus 50.000 € Bankvermögen und einem Auto im Wert von 10.000 € und sind zwei Kinder vorhanden, wobei ein Kind das Auto erhalten soll, so muss festgelegt werden, ob dieses Kind „wertmäßig“ mehr als den hälftigen Erbteil erhalten soll (dann Vermächtnis) oder sich den Wert auf den insgesamt hälftigen Wert anrechnen lassen muss (dann Teilungsanordnung).
Mehrere Erben bilden eine Erbengemeinschaft, sodass ein einzelner Miterbe allein nicht handeln kann. Wenn die einzelnen Miterben räumlich weit auseinander wohnen oder unter sich zerstritten sind, wird die Auseinandersetzung der Erbschaft erschwert. Erbauseinandersetzungen können sich über viele Jahre hinziehen und viele Kosten verursachen. Dies kann durch Einsetzung eines Testamentsvollstreckers verhindert werden.

Wenn Eltern zu Lebzeiten Vermögen an ein oder mehrere Kinder übertragen, z.B. ein Anwesen mit Vereinbarung einer Wart und Pflegeleistung, ist unbedingt Vorsorge zu treffen, ob sich das Kind das übertragene Vermögen erbrechtlich anrechnen lassen muss oder nicht. Soll das Kind im Wege der lebzeitigen Übertragung des Vermögens im Wege der Erbfolge nichts mehr erhalten, so ist ein Pflichtteilsverzicht zu vereinbaren. Die lebzeitige Übertragung als Schenkung kann auch Schenkungssteuer auslösen, die der Höhe nach der Erbschaftssteuer entspricht.

Regelungen zur Grabpflege sind dringend erforderlich, weil die Grabpflege immer wieder zu vielen Streitereien und Spannungen zwischen den Angehörigen führt. Soll jemand das Grab pflegen und hierfür einen Betrag von 5.000 € erhalten, macht es einen großen Unterschied, wie das Grab gepflegt wird. Eine bessere Lösung ist hier die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers mit der Aufgabe, einen Dauergrabpflegevertrag mit einer ortsansässigen Gärtnerei abzuschließen.

Dies sind nur einige Beispiele, die deutlich machen, dass die Errichtung eines Testamentes sinnvoll sein kann. Nicht nur kann man sein Vermögen über seinen Tod hinaus weitergeben, sondern durch klare Regelungen in einem Testament kann man dafür sorgen, dass kein Streit unter den Miterben aufkommt. Würde der Verstorbene mitbekommen, wie oft wegen seiner Erbschaft gestritten wird, würde er sich nicht nur „mehrmals im Grab umdrehen“, sondern auch ein Testament mit klaren Regelungen errichten.

Ein Testament muss handschriftlich geschrieben und unterschrieben werden. Bei einem Ehegattentestament genügt es, wenn ein Ehegatte das Testament schreibt und der andere Ehegatte mit unterschreibt. Wenn man nicht selbst schreiben möchte oder kann, ist eine Testamentserrichtung nur beim Notar möglich. Wenn das Testament beim Notar errichtet wird, muss es automatisch beim Nachlassgericht hinterlegt werden, ansonsten kann das Testament auch zu Hause aufbewahrt werden.

Den Pflichtteil kann derjenige verlangen, der pflichtteilsberechtigt ist (Kinder, Ehegatte und – wenn keine Kinder vorhanden sind – auch noch die Eltern) und nicht im Testament erwähnt oder mit einem Erbteil, der wertmäßig geringer ist als der gesetzliche Erbteil berücksichtigt worden ist. Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Haben Ehegatten im Berliner Testament sich gegenseitig als Alleinerben eingesetzt und die Kinder als Schlusserben, sind beim 1. Todesfall die Kinder automatisch enterbt und können ihren Pflichtteil geltend machen. Soll dies vermieden werden, bietet sich auch hier wieder die Vor- und Nacherbschaft an bzw. die Kinder werden mit einem Erbteil als Miterben berücksichtigt, der etwas höher als der sog. Pflichtteil ist. Der Pflichtteilsanspruch ist ein reiner Geldanspruch, sodass der Pflichtteilsberechtigte z.B. nicht ⅛ des Anwesens erhält, sondern nur wertmäßig ⅛ des Anwesens.
Schenkungs- bzw. Erbschaftssteuer fällt dann an, wenn der Wert der Schenkung bzw. der Erbschaft die im Gesetz vorgesehenen Freibeträge übersteigt. Kinder haben einen Freibetrag von 400.000 €, Ehegatten von 500.000 €, Enkel von 200.000 €, Geschwister, Neffen und Nichten jeweils nur 20.000 €. Oft lohnt es sich, die Erbschaft auf mehrere Schultern zu verteilen, da dann mehrmals die Freibeträge genutzt werden können. Auch beim Berliner Testament kann Vorsicht geboten sein. Wenn der Ehegatte z.B. 300.000 € an seine überlebende Ehefrau vererbt, die 200.000 € Vermögen hat und die Ehefrau danach verstirbt und das Vermögen dann im Wert von 500.000 € auf ein Kind übergeht, hat das Kind aus dem Wert von 100.000 € (500.000 € abzgl. Freibetrag von 400.000 €) Erbschaftssteuer zu bezahlen. Besser wäre es in diesem Fall, wenn das Kind auch seinen Freibetrag nach dem Tod des 1. Elternteils von 400.000 € schon ausgenutzt hätte und als Miterbe eingesetzt worden wäre.

Werner Nied