Aufsätze

Musik und Internet

rechtliche Beurteilung der Nutzung von Musiktauschbörsen

Schnell und kostenlos kann man Musikdateien mittels Musiktauschbörsen aus dem Internet herunterladen. Doch häufig stellt sich hierbei die Frage, ob dies erlaubt ist und mache ich mich sogar strafbar, wenn ich verbotener Weise Musikdateien aus dem Internet herunterlade oder eigene Musikstücke ins Netz stelle?

über sogenannte File-Sharing-Systeme (Musiktauschbörsen), die meist kostenlos aus dem Netz heruntergeladen werden können, ist es möglich, nahezu jedes Musikstück aus dem Internet auf den eigenen PC zu laden. Gleichzeitig wird anderen Musikinteressierten Gelegenheit gegeben, Zugriff auf die auf dem eigenen PC gespeicherten Musikdateien zu nehmen.

Ob eine Urheberrechtsverletzung vorliegt und ob diese strafbar ist oder nicht, lässt sich nur beantworten, wenn man die Funktionsweise dieser Netzwerke versteht.

Diese funktionieren im Wesentlichen wie folgt:

Bei Musiktauschbörsen treten jeweils zwei Nutzer zum Zwecke des Austauschens von Musikdateien in direkte Verbindung mit der Folge, dass der eine Nutzer, der eine bestimmte Musikdatei sucht, vom jeweils anderen Nutzer Musikdateien, die auf dessen PC gespeichert sind, herunterladen kann. Gleichzeitig werden die auf dem Rechner gespeicherten Musikdateien des Nutzers, der Musikdateien sucht, dem anderen Nutzer zum Herunterladen angeboten. Der Austausch von Musikdateien erfolgt folglich kostenlos. Sucht z.B. ein Nutzer A ein bestimmtes Musikstück, wird über das Musiktauschprogramm bei einem weiteren Nutzer B nach diesem Musikstück auf dessen PC gesucht. Ist das betreffende Musikstück auf dem PC des Nutzers B vorhanden, wird das Musikstück auf den PC des Nutzers A geladen. Wenn nicht, wird die Suchanfrage an weitere Nutzer des Musiktauschprogramms, z.B. an Nutzer C, D, u.s.w. weitergeleitet, bis letztlich die Suchanfrage erfolgreich verläuft und das entsprechende Musikstück auf den PC des Nutzers A heruntergeladen wird (Download).

Die beliebtesten Musiktauschbörsen sind e-Mule, eDonkey, bearshare und LimeWire. Einer Studie des Fraunhofer Institutes nach sollen im Jahre 2001 weltweit ca. 5,16 Milliarden Dateien und im Jahr 2002 5,77 Milliarden Dateien über so genannte File-Share-Programme verbreitet bzw. vermittelt worden sein. Dass dies der Musikindustrie nicht gefällt und versucht wird, dies zu unterbinden, ist nachvollziehbar.

Beim Tauschen von Musikdateien sind rechtlich 2 Vorgänge zu unterscheiden:

  1. wenn das Musikstück auf den eigenen PC heruntergeladen (downgeloaded) wird, spricht man von einer so genannten Vervielfältigung
  2. wenn das Musikstück für andere Musiksuchenden im Internet bereitgehalten wird, so genannter Upload, spricht man vom Recht der öffentlichen Zugänglichmachung.

Bis 31.12.2007 waren Vervielfältigungen, folglich das Downloaden zum privaten Gebrauch nur dann verboten, wenn die Musikdatei, die vervielfältigt werden sollte, eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte Vorlage war. Das heißt, für private Zwecke war das Downloaden zulässig, es sei denn, die Vorlage, zum Beispiel das Musikstück, das auf dem eigenen PC heruntergeladen werden sollte, war offensichtlich rechtswidrig hergestellt worden.

Das öffentliche Zugänglichmachen von Musikdateien, folglich das Uploaden, war generell unzulässig, folglich auch, wenn dies ausschließlich für private Zwecke erfolgte.

Beim Downloaden gab es in der Praxis natürlich dann Probleme, wenn festgestellt werden musste, ob eine offensichtlich rechtwidrig hergestellte Vorlage verwendet worden ist oder nicht. Dies lässt und ließ sich oft nicht feststellen. Wenn z.B. ein Musikstück, welches in den aktuellen Charts aufgeführt ist, oder ein aktueller Kinofilm bereits kostenlos über eine Tauschbörse vom Internet heruntergeladen werden konnte, wird man wohl davon ausgehen können, dass eine offensichtlich rechtwidrig hergestellte Vorlage verwendet worden ist. Wenn ein „älteres“ Musikstück oder ein „älterer“ Kinofilm kostenlos im Internet angeboten wird, ist die Frage schon schwieriger zu beantworten, ob es sich hierbei um eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte Vorlage handelt oder nicht.

Offensichtlich auf Druck der Musikindustrie hat der Gesetzgeber mit Wirkung ab 01.01.2008 das Gesetz insoweit geändert, dass auch für private Zwecke das Vervielfältigen dann verboten ist, wenn eine „unrechtmäßig online zum download angebotene Vorlage“ verwendet wird.

Da das Uploaden von Musikdateien bisher schon immer verboten war, wird beim kostenlosen Angebot von Musikdateien im Internet „zwangsläufig“ eine unrechtmäßig online zum download angebotene Vorlage verwendet. Der Tausch von Musikdateien mittels Musiktauschbörsen über das Internet wird ab 01.01.2008 letztlich immer unrechtmäßig sein.

Im Rahmen einer weltweiten Aktion, insbesondere nachdem die us-amerikanischen Tonträgerhersteller bereits seit Sommer 2003 gegen Nutzer von Tauschbörsen vorgehen, „soll durch zeitlich koordiniertes Vorgehen gegen Rechtsverletzungen in File-Sharing-Systemen auf internationaler Ebene versucht werden, eine größtmögliche Abschreckung zu erzielen“. In Deutschland wurden seit Frühjahr 2004 zahlreiche Verfahren eingeleitet, „die in der öffentlichkeit große Resonanz gefunden haben“, so die Rechtsanwaltskanzlei Rasch in Hamburg, die die führenden deutschen Tonträgerhersteller vertritt. Angeblich sollen über 50.000 Nutzer von Musiktauschbörsen bereits entsprechend erwischt bzw. abgemahnt worden sein. Jüngst war das Problem der Musiktauschbörsen auch Thema in Günther Jauchs Sendung „Stern-TV“, was auch auf die Aktualität des Themas hinweist.

Das Problem für die Musikindustrie ist, dass diese zwar die so genannte IP-Adresse, welche letztlich wie eine Telefonnummer den Inhaber eines PCs identifiziert, ermitteln kann, aber keinen Auskunftsanspruch gegenüber dem jeweiligen Provider hat um zu erfahren, wer Anschlussinhaber des PCs mit der entsprechenden IP-Adresse ist. So wurden von der Musikindustrie zunächst zigtausende Strafanzeigen gegen Unbekannt bei Staatsanwaltschaften wegen einer strafbaren Urheberrechtsverletzung erstattet unter Benennung der jeweiligen IP-Adresse. Im Gegenzug zur Musikindustrie hat die Staatsanwaltschaft die Möglichkeit, anhand der IP-Adresse vom Provider Auskunft über den jeweiligen Anschlussinhaber zu erhalten. Mittels Akteneinsicht bei der Staatsanwaltschaft konnte dann auch die Musikindustrie die Adresse des jeweiligen Anschlussinhabers erhalten. Die Folge ist und war, dass dann der jeweilige Anschlussinhaber von Rechtsanwälten auf Unterlassung aufgefordert wird und Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden.

Das vorgeschaltete Strafverfahren über die Staatsanwaltschaft dient letztlich in vielen Fällen nur dazu, für zivilrechtliche Ansprüche die Adresse des jeweiligen PC-Anschlussinhabers zu erhalten.

Viele Strafverfahren werden eingestellt, weil entweder kein Tatvorwurf gemacht werden kann, ein Verschulden fehlt oder ein Verschulden geringfügig wäre. Strafrechtlich muss eine bestimmte Person identifiziert werden, die eine Urheberrechtsverletzung begangen hat. Erfahrungsgemäß nutzen jedoch mehrere Personen, z.B. Familienmitglieder einen PC und es lässt sich nicht nachweisen, wer die konkrete Urheberrechtsverletzung begangen hat. Die Verfahren werden dann von der Staatsanwaltschaft eingestellt. Selbst wenn ein konkreter Nachweis seitens der Staatsanwaltschaft geführt werden kann, werden Verfahren häufig dann eingestellt, wenn weniger als 1.000 Musikdateien unzulässig verwendet worden sind. Bei Verwendung von 1.000 bis ca. 3.000 illegaler Musikdateien werden die Verfahren häufig unter einer Auflage, z.B. durch Zahlung eines Geldbetrages eingestellt. Bei illegalem Musiktauschen von über 3.000 Musikdateien kann es zu strafrechtlichen Sanktionen kommen, wenn der konkrete Nutzer ermittelt und ihm auch der konkrete Vorwurf (das heißt, auch Vorsatz) nachgewiesen werden kann.

Das Hauptinteresse der Musikindustrie liegt jedoch nicht in der Durchführung eines Strafverfahrens, sondern in der Erlangung der Nutzerdaten. In vielen Fällen wird dann, wenn die Adresse des PC-Anschlussinhabers über das vorgeschaltete strafrechtliche Verfahren bekannt geworden ist, der jeweilige PC-Anschlussinhaber aufgefordert eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben sowie Schadensersatzansprüche, die häufig pauschaliert werden, zu bezahlen. Die Höhe der jeweils geltend gemachten Schadensersatzansprüche richtet sich nach der Anzahl der unrechtmäßig angebotenen Musikstücke. Die Beträge belaufen sich häufig zwischen 2.000 und 10.000 €, wobei Ausführungen dazu, wie sich die Schadensersatzansprüche zusammensetzen, nicht gemacht werden.

Im Gegensatz zu strafrechtlichen Urheberrechtsverletzungen muss dann, wenn zivilrechtlich Schadensersatz- bzw. Unterlassungsansprüche geltend gemacht werden, nicht konkret nachgewiesen werden, wer die konkrete Urheberrechtsverletzung begangen hat. Hier ist vielmehr zu prüfen, ob der PC-Anschlussinhaber, von dessen PC die Urheberrechtsverletzungen begangen worden sind, Prüfungspflichten verletzt hat. Wann eine solche Verletzung von Prüfungspflichten vorliegt, ist umstritten und muss – wenn es zum Streit kommt – gegebenenfalls von Gerichten entschieden werden. Das LG Mannheim hat z.B. in einem Urteil vom 29.09.2006 festgestellt, wonach der PC-Anschlussinhaber für eine Urheberrechtsverletzung seines volljährigen Sohnes, der mittels Musiktauschbörse illegal Musik in das Internet gestellt hat, nicht haftet. Das LG Hamburg hat jedoch anders entschieden und festgestellt, dass ein PC-Anschlussinhaber, obwohl er selber die Musiktauschbörse nicht nutzte, dann als Störer in Anspruch genommen werden kann. In diesem dem Landgericht Hamburg zugrunde liegenden Fall hatte ein Elternteil seinen jugendlichen Kindern die Internetnutzung ohne weitere Einschränkung gestattet. Das LG Hamburg sah hierin eine Verletzung von Prüfungspflichten, da erforderliche und zumutbare Sicherheitsvorkehrungen nicht durchgeführt worden sind. Die Eltern hätten es unterlassen, alles Erdenkliche zu tun, um Urheberrechtsverletzungen der Kinder zu verhindern.

Wenn sich die Rechtsprechung des LG Hamburg durchsetzt, ist letztlich niemandem mehr zu raten, einem Dritten, sei es auch den eigenen Kindern, seinen PC zur Verfügung zu stellen, ohne sich der Gefahr auszusetzen, sich wegen Urheberrechtsverletzungen schadensersatzpflichtig zu machen. Bleibt zu hoffen, dass die Rechtsprechung des LG Hamburg, die die Prüfungspflichten eines PC-Anschlussinhabers sehr weit sieht, nicht durchsetzt. Ob das Vorbringen des LG Hamburg, wonach der PC-Anschlussinhaber alles Erdenkliche tun muss, um Urheberrechtsverletzungen von seinem PC zu unterbinden, technisch überhaupt umzusetzen ist, sei dahingestellt.

Klar ist jedoch, dass der PC-Anschlussinhaber dann, wenn er – sei es zu Recht oder zu Unrecht – auf Unterlassung von Urheberrechtsverletzungen, die von seinem PC aus begangen worden sind, in Anspruch genommen wird, zumindest ab diesem Zeitpunkt erhöhte Vorsicht walten lassen muss, da er dann sicherlich erhöhte Prüfungspflichten hat. Ob die von der Musikindustrie über ihre Anwälte geforderten strafbewehrten Unterlassungserklärungen unterschrieben werden sollen oder nicht, lässt sich nur anhand des jeweiligen Einzelfalles entscheiden. Im Zweifel sollte eine solche Erklärung auf Unterlassung künftiger Urheberrechtsverletzungen abgegeben werden.
Auf keinen Fall sollte eine solche Erklärung für die in der Vergangenheit liegenden angeblichen Urheberrechtsverletzungen unterschrieben werden.

Auch Schadensersatzansprüche sollten unter keinen Umständen akzeptiert werden. Zwar lässt es der Gesetzgeber im Urheberrecht ausnahmsweise zu, dass nicht ein konkreter Schaden beziffert werden muss, sondern es genügt vielmehr den Betrag als Schaden zu fordern, unabhängig, ob ein konkreter Schaden entstanden ist oder nicht, der dem Wert entspricht, wenn das Rechtsgeschäft legal ausgeführt worden wäre. Es ist folglich zu fragen, wenn z.B. 1000 Dateien illegal online angeboten worden sind, was hierfür bezahlt worden wäre, wenn dies legal erfolgt wäre. Bekanntlich werden für Musikdateien, die legal über das Internet bezogen werden, ca. 1,00 € pro Musikstück bezahlt. Die von den Rechtsanwälten geltend gemachten Schadensersatzansprüche sind deshalb meist überhöht.

Neben dem eigentlichen Schaden werden die für die Vertretung der Musikindustrie entstandenen Kosten der Rechtsanwälte gefordert. Auch hier gibt es unterschiedliche Ansichten, ob und vor allem in welcher Höhe Rechtsanwaltskosten als Schaden geltend gemacht werden können und sollten daher ebenfalls nicht einfach anerkannt werden.

Wenn man eine Unterlassungserklärung für künftige Urheberrechtsverletzungen abgibt, so muss natürlich auch gewährleistet sein, dass der PC-Anschlussinhaber die Musiktauschprogramme auf dem PC löscht und darauf achtet, dass diese Programme auch künftig nicht (auch nicht von seinen Kindern) auf den PC wieder aufgespielt werden.

Werner Nied